Klingt zynisch – ist aber ehrlich.
Früher war mehr Planbarkeit
Ich bin froh, dass ich nicht mehr jung bin. Klingt hart? Vielleicht. Aber je länger ich drüber nachdenke, desto mehr spüre ich: Es ist ehrlich gemeint. Und das sage ich nicht aus Alterszynismus oder Lebensmüdigkeit – im Gegenteil. Ich habe viel erlebt, viele Fehler gemacht, manche Lektionen hart gelernt, manche Chancen verpasst – und bin dennoch in einer Zeit erwachsen geworden, in der man dachte, man könne planen. Einen Lebensweg. Eine Karriere. Ein Familienbild. Es war nicht perfekt – aber es war berechenbarer.
Aufgewachsen in einer anderen Welt
Geboren 1971, groß geworden in einer Zeit, in der der Fernseher noch ein Möbelstück war, die Welt langsam und das Leben linear erschien. Schule, Ausbildung, Beruf – wenn du fleißig warst, ging das irgendwie seinen Weg. Und wenn nicht, dann hattest du zumindest Zeit, dich zu sortieren. Heute? Heute wirkt die Welt auf mich wie eine Hochgeschwindigkeitsschleuder – KI, Klimakrise, Kapitalverschiebungen, Krieg. Und mittendrin junge Menschen, die sich ihren Platz suchen müssen. Ohne Karte. Ohne Kompass. Ohne Verschnaufpause.
Orientierungslosigkeit im Jetzt
Ich frage mich: Wie macht man das als junger Mensch heute? Wie orientiert man sich in einer Welt, in der Gewissheiten bröckeln und Technologien schneller wachsen als das eigene Verständnis? Wie bleibt man handlungsfähig, wenn die Algorithmen immer mehr mitreden – bei Bewerbungen, bei Bildung, bei Beziehungen?
Die Elternrolle im Wandel
Und noch was: Was macht das mit uns als Eltern? Welche Rolle spielen wir? Ich selbst habe keine Kinder, aber ich denke oft darüber nach, wie schwierig es sein muss, in dieser Gemengelage Ratgeber, Vorbild, Haltgeber zu sein. Wie soll ich jemandem sagen, wohin es gehen kann – wenn ich selbst nicht mehr weiß, was Bestand hat?
Ist unser Job nicht weniger, Antworten zu geben – sondern Räume zu öffnen, in denen junge Menschen selbst welche finden können?
Vielleicht müssen wir als Erwachsene nicht immer den Weg zeigen – aber wir können dafür sorgen, dass er gangbar bleibt.
Generationen – keine Frage des Wollens
Wir reden viel über Generationen. Über Gen Z, über Millennials, über Boomer. Und doch vergessen wir oft, dass viele der Unterschiede keine Frage des Wollens sind – sondern der Umstände. Ich hatte das Privileg, mich zu entfalten, weil es Zeit und Raum gab. Heute ist das ein Luxus.
Verantwortung statt Rückzug
Vielleicht liegt genau darin unsere Verantwortung. Nicht in der Beurteilung. Sondern im Begleiten. Nicht im Phrasenhaften „Du musst nur wollen“ – sondern im ehrlichen: „Ich sehe, wie schwer das ist. Und ich bin da.“
Der Mut zur Eigenständigkeit
Denn die Leichtigkeit der Jugend, von der viele reden, ist oft ein Mythos. Vielleicht war sie das immer schon. Vielleicht braucht es heute andere Formen von Mut – den Mut zur Orientierungslosigkeit, zum Innehalten, zur Eigenständigkeit. Und den Mut, das auch als Gesellschaft zuzulassen.
Eine wiederholte Erkenntnis
Ich bin froh, dass ich nicht mehr jung bin – weil ich weiß, wie schwer jung sein heute ist. Und ich ziehe den Hut vor denen, die sich dennoch aufmachen. Mit Zweifeln. Mit Sehnsucht. Mit Haltung.
Mein persönlicher Umgang damit
Was ich aber auch merke: Ich bin nicht frei von Verantwortung. Ich kann mich nicht einfach zurücklehnen und sagen: „Gut, dass ich da durch bin.“ Denn ich sitze ja immer noch mit im Boot. Und vielleicht besteht mein Beitrag genau darin, nicht alles wissen zu wollen, aber Fragen zu stellen. Nicht Lösungen zu liefern, aber Gedanken anzubieten. Ich versuche, zuzuhören, ohne zu belehren. Da zu sein, ohne mich aufzudrängen. Und vor allem: nicht in den alten Mustern zu verharren, nur weil sie mir vertraut sind.
Beobachten statt überholen
Ich hadere oft mit dem Tempo der Welt. Mit dem Druck, allem gerecht zu werden – beruflich, gesellschaftlich, menschlich. Aber vielleicht ist genau das meine Art, damit umzugehen: innehalten, beobachten, sortieren. Nicht immer sofort reagieren, sondern reflektieren.
Das ist nicht immer leicht – aber es ist meine Form von Orientierung. Eine, die ich weitergeben kann, ohne sie aufzudrängen.
Historische Parallelen und ein neuer Katalysator
Und manchmal frage ich mich auch, ob unsere Eltern damals Ähnliches empfunden haben. Ob sie dachten: „Jetzt dreht sich die Welt zu schnell“ – als Computer kamen, das Internet, Globalisierung. Wahrscheinlich ja.
Aber mit KI betreten wir noch mal ein anderes Spielfeld. Eines, das nicht nur neue Werkzeuge bringt, sondern Grundannahmen infrage stellt: Was bedeutet Arbeit? Was bleibt vom Menschen, wenn Maschinen schneller denken? Was lernt man noch – und wofür?
Studium mit Verfallsdatum?
Was sage ich heute einem jungen Menschen, der sich für einen Studiengang entscheidet, von dem wir nicht wissen, ob er in zehn Jahren noch gebraucht wird? Oder ob eine KI ihn nicht besser, schneller, billiger erledigt?
Ich habe darauf keine einfache Antwort. Aber vielleicht wird es wichtiger sein, wie man lernt, als was man lernt. Und vielleicht ist die Frage selbst schon der Anfang – und der Mut, sie zu stellen, der erste Schritt in die richtige Richtung.
Abschluss: Zwischen Demut und Richtungssinn
Vielleicht geht es am Ende gar nicht darum, alles zu verstehen oder gar zu beherrschen. Vielleicht liegt unsere Aufgabe – als Erwachsene, als Mitmenschen, als Gesellschaft – eher darin, Orientierung zu geben, wo keine mehr ist. Nicht mit einem Navi, das den besten Weg kennt, sondern mit einem Lagerfeuer, an dem man sich sammeln kann.
Denn wer heute jung ist, hat nicht nur Herausforderungen vor sich – sondern trägt oft schon jetzt eine Schwere, die wir früher nicht kannten. Nicht, weil sie schwächer sind. Sondern weil die Welt lauter, schneller und komplexer geworden ist.
Und vielleicht ist das größte Geschenk, das wir machen können, kein Ratschlag – sondern das ehrliche Eingeständnis: „Ich weiß es auch nicht immer. Aber ich bin da.“