Einleitung und Warnhinweis
Da ich nicht raus darf und meine sozialen Kontakte sich meist am Telefon abspielen – wofür ich dennoch dankbar bin – mir aber der Austausch fehlt, muss eben der Blog wieder herhalten. Wer es lesen möchte, der ist wieder herzlich eingeladen. Wer es nicht lesen möchte, bei dem verabschiede ich mich an dieser Stelle: Danke für den Besuch und viel Spaß beim Weitersurfen.
Tod – Bitte nicht sterben
Die Krise bringt einen fiesen Gedanken. Wobei „fies“ das falsche Wort ist. Man denkt anders und vielleicht bewusster über Manches nach. Und jetzt denkt Der-Körting über den Tod nach. Klar warum auch nicht. Ist ein durchaus spannendes Thema. Warum? Ich versuche es mal zu erläutern:
Tod. Mit T, wie Tabu
Wir modernen Menschen. Wir Krone der Schöpfung. Wir Beherrscher der Erde. Wir, die wir alles kontrollieren und und steuern wollen. Wir sind sind schon eine wunderliche Erscheinung. Wir kontrollieren alles. Naja zumindest versuchen wir es. Wir bestimmen, wann und wo und auch wie gestorben wird. Warum? Weil wir es können. Wir haben den Glauben an Gott verloren und erheben uns selbst in einen Gott-gleichen Stand. Wir beherrschen die Natur und doch ist der Tod allgegenwärtig, nur eben nicht mehr sichtbar. Steril und anonym. Oftmals Tabu. Wir sprechen nicht gerne über’s sterben. Der Tod ist kein Partythema. Sollte er auch nicht sein, aber ihn nahezu komplett aus dem Leben zu streichen ist auch doof. Vor allem bildet der Tod letztendlich den krönenden Abschluss des Lebens. Also warum nicht mal drüber sprechen.
Der Tod in der Krise
Über 600 Tote in Italien. Mehr als 1.000 Tode in Spanien. An einem Tag. Das sind schon beängstigende Zahlen. Stimmt. Aber eben nur Zahlen. Man sieht keine Toten. Die müssen ja auch schnell und sauber entsorgt werden. Der Tod ist eine Zahl. Quantifiziertes Sterben. Qualitativ ist Sterben irgendwie nicht mehr das, was es mal war. Nein, ich komme nicht mit dem: Früher war alles besser, dazu bin ich auch noch zu jung, aber ich komme damit, das der Tod in seine Betrachtung früher einen anderen Stellenwert hast. Eben kein Tabu.
Beim Sterben ist jeder allein
Nicht jeder, aber viele. Viel zu viele, wenn man mich fragt. Ich tue mal so, als ob man mich gefragt hat und gehe kurz – zumindest versuche ich es – auf meine Aussage ein. Dazu hole ich mal etwas aus. Meine Begegnungen mit dem Tod waren irgendwie sehr theoretisch. Meine Uroma starb irgendwann. Ich war klein. Die Omi war weg. Wo ist sie denn hin? Sie ist jetzt beim lieben Gott, so wurde mir das damals gesagt. Und ehrlich: Mir hat das damals irgendwie gefallen. Sie schaut von oben zu und passt auf mich auf. Tröstlich. Aber warum durfte ich sie nicht mehr sehen, warum durfte ich nicht nochmal „Tschüss“ sagen. und warum nicht nochmal berühren? Das macht man nicht. Sie ist schon im Sarg und der ist zu. Aha. Na dann. Jahre später dann die Großeltern. Hier ein ähnlicher Vorgang, allerdings gepaart mit pubertären Verhalten und dem „starkseinwollen“ und daher ein steriler Umgang. Ernst wurde es erst, als es meinen Vater erwischte. Nach langer Krankheit durfte er irgendwann gehen. Er starb nicht alleine.
Ruhe sanft und in Frieden
Er starb zuhause. Gepflegt von seiner Frau und er sah wirklich friedlich aus. Und ich habe ihn gesehen und konnte noch einmal mit Respekt und Andacht Abschied nehmen. Warum ich solch Intimes hier schreibe? Weil es kein Tabuthema sein sollte und weil ich damit sagen möchte, dass ich bei meiner ersten bewussten Begebung mit dem Tod doch schon ein fortgeschrittenes Alter erreicht hatte. Behütet und beschützt hat man mich. Aber auch wertvoller Erfahrungen beraubt. Ok, ist ein hartes Wort, aber irgendwie ist der Umgang mit dem Tod seltsam. Viel zu kontrolliert, wenn man mich fragt. Viel zu steril, wenn ich es beschreiben soll. Es ist der Abschluss des Leben. Es ist die Krönung des Lebens. Also feiern wir es doch.
Respekt. Ehrfurcht. Dankbarkeit
Wir sollten dankbar sein. Dankbar für das Leben, die gemeinsame Zeit, die Erinnerungen – die Guten und die Schlechten -, eben all das, was Leben ausmacht. Und zum Leben gehört nunmal auch das Sterben. Der Tod. Wir sollten Menschen begleiten. Auch wenn wir vielleicht keine Zeit haben oder es einfach nur weh tut, wenn man mitbekommt, wie das Leben sich langsam verabschiedet. Das hat etwas mit Respekt zu tun. Mit Ehrfurcht vor dem Leben und mit Dankbarkeit für das Erlebte. Ich weiss, dass liest sich viel zu pauschaliert und das soll es auf keinen Fall sein, aber ich höre es viel zu oft. Und es macht mir Angst. Also ein bisschen. Denn ich würde es begrüßen, wenn man mit mir das Leben gemeinsam nochmal feiert und ich dann in Frieden und Ruhe gehen kann. So zumindest mein Wunsch(traum). Ich hätte es gerne wie die Elefanten. Die spüren, wenn es mit einem Herdenmitglied zu Ende geht. Die Herde wird stiller und kümmert sich um den „scheidenden“ Kameraden. Sie nehmen Abschied. Ich stelle es mir tröstlich vor, wenn Menschen spüren würden, dass das Ende naht und ich glaube, dass das früher anders war. Man war sich näher und daher vielleicht empfänglicher für das Befinden der seiner Mitmenschen. Das hat sich geändert.
Tauschbörse
Wir haben getauscht. Erfolg. Geld. Sicherheit. Gehen was? Gegen Familie. Familie über Generationen. Zusammen. Unter einem Dach. So war das früher mal. Ich bin zu jung um das miterlebt zu haben. Ich kann es mir auch nur schwer vorstellen. Ich bin anders aufgewachsen und anders erzogen und geprägt worden. Aber ich finde die Vorstellung irgendwie schön. Ich erinnere mich wieder an die Elefanten. Oma ist 90. Die Atmung hat sich verändert. Die wurde flacher. Es rasselt beim Atmen. Die Haut ist irgendwie grau und nicht mehr so rosig wie vor ein paar Jahren. Die Augen liegen tief im Schädel und Oma hat abgenommen. Würden wir noch enger zusammenleben, würde uns das auffallen und wir wüssten auch, dass das Leben langsam erlöschen wird. Wir würden sanfter werden. Stiller. Sorgsamer. Wir würden Zeit – denn je endlicher sie wir, desto wertvoller wird sie – geniessen. Vielleicht würden wir uns zusammensetzen und in Erinnerungen schwelgen. Vielleicht würden wir enger zusammenrücken und Körperlichkeit zulassen. Denn wie lange wird es noch dauern. Wir spüren, das es zu Ende geht. Und wieder erinnere ich mich an die Elefanten. Wir haben aber getauscht. Ist eben so. Aber wir sollten uns ab und an erinnern. Ans Leben. An unsere Geschichte(n). An Elefanten.
Auf’s Leben
Es wird immer gestorben. Das ist der Lauf der Zeit, der Gang des Lebens, aber wir sollten wieder lernen, bewusster zu leben, denn dann ist auch ein bewussteres sterben möglich. Für alle Beteiligten. Und dann haben wir vielleicht auch eine Chance auf Trauer. Denn die ist wichtig, da es sonst keine Verarbeitung gibt. Dann nehmen wir Schaden. Auch hier denke ich wieder an Elefanten. Die Herde bildet einen Kreis um das verstorbene Mitglied. Es ist still. Sanft berühren sie mit ihrem Rüssel den leblosen Körper. Still und fast andächtig nimmt die Herde Abschied. Als ob die über das gemeinsam erlebt noch einmal gemeinsam nachdenken und die Erinnerungen geniessen. Ich mag Elefanten. Ist aber wahrscheinlich schon aufgefallen. Ich mag aber auch Krähen. Hier ist es ähnlich. Die beiden Spezies müssen als Beispiel herhalten, weil ich mich mit diesen intensiver beschäftigt habe. Warum? Weil es mich fasziniert, denn wie oft wurde oder wird behauptet das Tiere keine Seele haben. Ich bin andere Meinung. Wir sollten unbedingt auf unsere Seelen achten. Der Tod ist nichts Schlimmes. Nur wenn er alleine und anonym stattfindet. Und das sollte er nicht. Auch in Zeiten von Corona. Oder gerade in diesen Zeiten.
Nicht neu und eigentlich weiß man es aber man „vergisst“ es immer wieder.
Aber gut immer mal wieder daran erinnert zu werden…
Leider wahr. Und heute hatte ich wohl einen „Tag des Erinnerns“. Und ich mag Elefanten.